Energieforschung Schweiz

Flexible Laufwasserkraftwerke

Je nach Abflussmenge produziert ein Wasserkraftwerk an einem Fliessgewässer mehr oder weniger Strom. Unterschreitet die Wasserführung einen Minimalwert, steht ein Kraftwerk ganz still. Die Produktion lässt sich flexibilisieren, wenn bereits vorhandene Volumina in Becken und Stollen als Wasserspeicher genutzt werden. Damit kann wertvolle Regelenergie gewonnen und eine bessere Ausbeute bei geringen Abflussmengen erzielt werden.
Wertvolle Regelenergie und mehr Winterstrom

Wasserstollen des Kraftwerks Gletsch-Oberwald. Durch diesen Stollen fliesst das Wasser der Rhone mit einer Fallhöhe von rund 300 m zu den Turbinen. Die installierte Leistung liegt bei 14 MW, mit einer Jahresproduktion von 41 GWh beträgt die durchschnittliche Leistung des Kraftwerks jedoch nur 4,7 MW. Die Anlage ist unterirdisch gebaut, um die Umwelt möglichst wenig zu beeinflussen. Das Prinzip solcher Hochdruck-Laufwasserkraftwerke nutzen nur wenige Schweizer Kleinwasserkraftwerke. Sie machen aber einen grossen Teil der Gesamtstromproduktion aus Kleinwasserkraftwerken aus.

Bildquelle: FMV

Auf einen Blick

Bis anhin war die Stromproduktion von Laufwasserkraftwerken kaum regulierbar, sie wurde durch den natürlichen Abfluss bestimmt. Eine neue Methode nutzt Becken und Stollen als Wasserspeicher, der nach Bedarf gefüllt und entleert werden kann. Dadurch kann das Kraftwerk auch im Winter, bei niedriger Wasserführung, zeitweise Strom liefern und zudem ganzjährlich wertvolle Regelenergie zur Verfügung stellen.

Seit 2018 liefert das Kraftwerk Gletsch-Oberwald Strom für 9000 Haushalte. Es nutzt dabei das Gefälle der Rhone zwischen Gletsch (1750 m) und Oberwald (1450 m) zur Energiegewinnung. Wie viel Strom produziert wird, hängt von der Wasserführung der Rhone ab und kann nicht an die Nachfrage angepasst werden. Vor allem im Winter reicht der Abfluss der Rhone oft nicht aus, um die Turbinen auf minimaler Leistung zu betreiben und das Wasser wird am Kraftwerk vorbei geleitet. Forschende verschiedener Institute unter Leitung der Fachhochschule Westschweiz, haben daher untersucht, wie Laufwasserkraftwerke flexibler betrieben werden können, um so lukrative Regelenergie bereitzustellen. Hierzu wird bei hohem Strombedarf mehr Wasser auf die Turbinen geleitet, als von der Rhone effektiv zufliesst. Dazu werden Absetzbecken und ein Teil des Triebwasserstollens entleert. Bei geringerem Strombedarf werden diese Volumina wieder mit Wasser aufgefüllt und so als Speicher genutzt. Diese Speichervolumina können auch bei tiefen Abflussmengen gefüllt werden, während die Turbinen vorübergehend stillstehen. So lässt sich selbst im Winter zeitweise Strom produzieren, auch wenn die Rhone eigentlich zu wenig Wasser führt.

Winterstromproduktion verdoppelt

Ein Pilotbetrieb verlief bisher erfolgreich: Die Produktion im Winter konnte ohne grössere bauliche Anpassungen verdoppelt werden, allein durch die Nutzung der vorhandenen Speichervolumina in Absetzbecken, Druckkammer und einem Teil des Triebwasserstollens. Zudem konnte der Betreiber über das ganze Jahr hinweg Regelenergie mit einer Leistung von rund 1,5 MW anbieten. Mit guten Prognosen zu Abflussmengen und Stromnachfrage kann der Kraftwerksbetreiber die Produktion steuern und so bessere Preise erzielen, was die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks entscheidend erhöht.

Ökosystem schützen

Durch diese flexible Nutzung sind jedoch unterhalb des Kraftwerks im natürlichen Lauf der Rhone höhere Schwankungen im Abfluss zu erwarten. Aus Sicht der Gewässerökologie kann dieser sogenannte Schwall und Sunk problematisch sein. Begleitende ökologische Untersuchungen zeigten jedoch einen geringen Einfluss auf Gewässerlebewesen. Um die Auswirkungen auf die Gewässerökologie möglichst klein zu halten, wird das Kraftwerk so geregelt, dass die Abflussspitzen maximal 1,5-mal so gross sind wie der Basisabfluss. Im Winter wird der Abfluss aufgrund der geringeren Anzahl von Abschaltungen und Neustarts sogar geglättet. Dennoch muss für jedes Kraftwerk, das so betrieben werden soll, vorab geklärt werden, ob sich wechselnde Abflussmengen negativ auf das Ökosystem auswirken könnten.

Grafik_de

Im Kraftwerkt Gletsch-Oberwald wird das Wasser der Rhone gefasst und in ein Entsanderbecken (Absetzbecken für mitgeführte Schwebstoffe) geleitet. Ist das Becken voll, fliesst das Wasser über eine Trennwand zur Druckkammer und von dort in den Stollen, der zu den rund 300 m tiefer gelegenen Turbinen in Oberwald führt. Im Normalbetrieb sind Entsanderbecken, Druckkammer und Stollen mit Wasser gefüllt. Für den flexiblen Betrieb können die (1) Volumina eines Teils des Druckwasserstollens und der Druckkammer und (2) das Volumen des Entsanderbeckens genutzt werden. Der Wasserinhalt dieser Volumina kann mit dem Betrieb der Turbinen und über das Öffnen und Schliessen eines Tors (rot) in der talseitigen Trennwand des Entsanderbeckens gesteuert werden. Der Wasserstand im Druckwasserstollen kann nur bedingt abgesenkt werden, da bei einem zu stark verminderten Wasserdruck die Geometrie des auf die Peltonturbine treffenden Wasserstrahls nicht mehr stimmt und die Turbine an Effizienz verliert und infolge der veränderten Belastung schneller altert.

Bildquelle (BFE)

Produkte aus dem Projekt

Fachartikel: Kleinwasserkraftwerke machen sich flexibel
Schlussbericht (englisch): Small Flex – Demonstrator for flexible small hydropower plant

Kontakt und Team

Projektleitung

Cécile Münch-Alligné

HES-SO Valais

Rte du Rawyl 47

1950 Sion

078 625 30 02

cecile.muench@hevs.ch