Energieforschung Schweiz

Wärme und Strom aus dem Untergrund

Erdwärme liefert schon heute einen Beitrag zum Wärmebedarf der Schweiz. Die Wärme stammt jedoch hauptsächlich aus der obersten Erdschicht. Die Erschliessung tieferer Bereiche verspricht ein grosses Potenzial, birgt jedoch auch das Risiko von Erdbeben. Forschende haben ein Verfahren entwickelt, das die Erdbebengefahr minimiert.
Sicheres Verfahren der Tiefengeoenergie

Das Bohrgerät treibt eine Bohrung in den Granit des Gotthardmassivs.

Quelle: Schweizerischer Erdbebendienst an der ETH Zürich, 2019

Auf einen Blick

Erdwärme aus tiefen Zonen bietet als erneuerbare Energiequelle ein enormes Potenzial. 2050 könnte bis zu einem Viertel des Wärmebedarfs durch Geothermie gewonnen werden Ist die Temperatur über 100 Grad, kann es nicht nur für Heizzwecke, sondern auch für die Stromproduktion genutzt werden. Um der Gefahr von Erdbeben entgegenzuwirken, eignet sich das Packer-Verfahren: Damit können einzelne Bereiche eines Bohrlochs gezielt und mit einer genau berechneten Stärke angesteuert werden.

Die Wärme aus dem Erdreich zu nutzen, ist keine Neuheit. Sie wird mit Erdsonden gefördert, auf Wärmepumpen übertragen und zum Heizen und zur Warmwasseraufbereitung verwendet. Je tiefer man in die Erde eindringt, umso höher die Temperaturen: Während das Gestein einen Kilometer unter der Erde 40 °C warm ist, sind es 5 Kilometer unter der Erdoberfläche bereits 160 °C. Um diese Wärme nutzbar zu machen, eignet sich das petrothermale Verfahren. Dabei wird Wasser mit hohem Druck in ein Bohrloch gepresst. Durch den Druck verteilt sich das Wasser in den Felsritzen und weitet diese aus. So genannte Reservoire entstehen. Wie ein Wärmetauscher erwärmt der Fels das durchfliessende Wasser. Durch ein zweites Bohrloch wird das Wasser wieder an die Erdoberfläche befördert, wo es für Heizzwecke, Industrieprozesse oder sogar für die Stromproduktion verwendet werden kann. Das Potenzial ist enorm: Der Dachverband Geoenergie Schweiz geht davon aus, dass die Geothermie bis 2050 jährlich 17 Terawattstunden Energie bereitstellen könnte, was einem Viertel des prognostizierten Gesamtwärmebedarfs entspricht.

Neues Verfahren mit geringer Erdbebengefahr

So effizient das petrothermale Verfahren ist, es weist auch Gefahren auf: 2005 musste das darauf basierende Projekt «Deep heat mining Basel» abgebrochen werden, weil es zu mehreren wahrnehmbaren Erdbeben geführt hatte. In der Folge galt es, das Verfahren so zu adaptieren, dass verschiedene Zonen im Gestein einzeln angesteuert werden können. Deshalb entwickelte die Geo-Energie Suisse AG das «Packer-Verfahren». Dieses lehnt an das Multi-Etappen-Stimulationsverfahren an, das bei der Förderung von Erdöl zur Anwendung kommt: Durch ein Rohr wird das Wasser ins Bohrloch befördert. Mit Schieberelementen in den Rohren lässt sich steuern, wo das Wasser aus dem Rohr in das Bohrloch austritt. Auf den Rohren befinden sich so genannte Packer (aufblasbare Gummimanschetten), welche die Zwischenräume zwischen Rohr und Fels dicht verschliessen – ähnlich wie Ballone. So wird sichergestellt, dass das Wasser nur in einzelnen Abschnitten des Gesteins Reservoire bilden und zirkulieren kann. Dank Messgeräten, die sogar Erschütterungen registrieren, die zehn Millionen Mal geringer sind als spürbare Erdbeben, gelingt es den Forschenden zudem, Felszonen zu erkennen, die durch eine Stimulation schwer erschüttert werden könnten. Dadurch lässt sich das Erbebenrisiko auf ein Minimum reduzieren. Mit dem Packer-Verfahren lässt sich also jeder Felsabschnitt einzeln, und zudem genau in der Stärke stimulieren, die für die Entstehung eines Reservoirs nötig ist.

Erfolgreiche Tests

Das Verfahren wurde im Bedretto-Felslabor der ETH Zürich in zwei Kampagnen (Winter 2020 und Frühling 2021) erfolgreich demonstriert. Dabei gelang es, die wichtigsten Erfolgskriterien zu erfüllen: Die Durchflussraten waren, wie von numerischen Modellen vorhergesagt, um einen Faktor 3 bis 6 höher als bei einstufigen Stimulationen. Entsprechend hoch war der Energieoutput. Die seismische Aktivität, die durch das Verfahren verursacht wurde, war auf ein Minimum beschränkt und konnte detailliert überwacht werden. Ausserdem erwiesen sich die Geräte für mehrstufige Stimulationsaufgaben aus der Öl- und Gasindustrie auch für geothermische Anwendungen als geeignet.

Produkte aus dem Projekt

Schlussbericht (Englisch):
Fachartikel:

Kontakt und Team

Projektleiter

Peter Meier
Geo-Energie Suisse AG
Reitergasse 11
CH-8004 Zürich
+41 61 500 07 20
p.meier@geo-energie.ch

Domenico Giardini
ETH Zürich
Sonneggstrasse 5
CH-8092 Zürich ETH-Zentrum
+41 44 633 26 10
domenico.giardini@erdw.ethz.ch