Eine Windturbine in Collonges bei Martigny: Am Rhoneknie bläst der Wind bei bestimmten Grosswetterlagen deutlich stärker als in umliegenden Ländern. Quelle: Suisse Eole
Windkraftanlagen werden heute vor allem im flachen Norden Europas gebaut. Weil oft grossräumige Wetterphänomene die dortigen Windverhältnisse beeinflussen, folgt ihre Stromproduktion einem ähnlichen zeitlichen Muster. Folglich ist mit grossen Schwankungen im Windstromangebot zu rechnen. In hügeligen Regionen hingegen wird die europäische Grosswetterlage durch kleinräumige Wetterphänomene überlagert. Deshalb bläst der Wind dort oft dann, wenn in anderen Regionen Europas Flaute herrscht – und umgekehrt. Könnte diese Variabilität gezielt ausgenutzt werden, um die Windstromproduktion europaweit auszugleichen? Dieser Frage sind Forschende der ETH Zürich mit Modellrechnungen nachgegangen. Sie haben die Windverhältnisse in verschiedenen Regionen der Schweiz und im angrenzenden Europa modelliert und die Wirkung von sieben Grosswetterlagen in der Vergangenheit analysiert.
Verschiedene Phänomene beeinflussen die Windverhältnisse an einem Standort. Typischerweise steigen in Tälern die Windgeschwindigkeiten am Nachmittag, während sie auf Kämmen über Nacht am höchsten ist. Solche tageszeitlichen Schwankungen zeigten die Modellierungen erwartungsgemäss im oberen Rheintal, am Rhoneknie im Wallis und im Vedeggiotal. Aber auch Grosswetterlagen können in der Schweiz aufgrund der Topografie zu typischen Windverhältnissen führen. Wenn zum Beispiel nördlich der Schweiz hoher Luftdruck herrscht, kanalisiert sich der Wind zwischen der Alpenkette und dem Jura zu einer Bisenströmung bis zum Genfersee. Mit ihrer Modellierung untersuchten die Forschenden, an welchen Standorten solche regionalen Effekte zu Windverhältnissen führen, die sich deutlich von den umliegenden Ländern unterscheiden. Dabei zeigte sich, dass bei Hochdruck-dominierten Wetterlagen der Wind am Genfersee und am Rhoneknie im Wallis deutlich stärker bläst. Auch das Vedeggio-Tal im Tessin weist bei gewissen Wetterlagen eine überdurchschnittliche Windperformance aus.
Diese Regionen könnten also dann Windstrom produzieren, wenn die Rotoren in anderen Regionen stillstehen. Darin sehen die Autorinnen und Autoren der Studie einen Anreiz für den Bau neuer Windturbinen, auch wenn die durchschnittliche Windgeschwindigkeit auf den ersten Blick nicht dafürspreche. Einen Beitrag zur Glättung der europäischen Windstromproduktion vermögen sie jedoch kaum zu leisten. Denn diese Regionen sind im Vergleich viel zu klein.
Im Jura hingegen korrelieren die Windverhältnisse mit denjenigen im restlichen Europa. Weil diese Region jedoch die höchsten durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten der ganzen Schweiz aufweist, sind die Windparks dort bereits heute wirtschaftlich.
Projektleitung
Stefan Pfenninger
ETHZ Institut für Atmosphäre und Klima
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